Kulturraum Friedhof

Seit 2020 ist die deutsche Friedhofskultur immaterielles Kulturerbe

Seit jeher haben wir Menschen unsere Verstorbenen bestattet. Wie in anderen Ländern auch, entwickelte sich aus einfachen Grab- und Kultstätten eine ganz eigene Bestattungskultur, in welcher der Friedhof oder auch Gottesacker nicht mehr wegzudenken ist. Friedhöfe sind nicht nur parkähnliche Anlagen, auf welchem Verstorbene ihre letzte Ruhe finden und Angehörige trauern können, sondern auch Zeugen der Geschichte. So findet man in den Reihen der Gräber Zeugnisse längst vergangener Zeiten, alte Grabanlage von verdienstvollen Bürgern, Grafen, Fürsten oder Geistlichen. Deshalb ist die Pflege der Friedhofskultur auch ein wichtiger Beitrag zum Denkmalschutz.

„Die Friedhöfe sind die lebendigen Ausdrucksformen, welche von menschlichen Wissen und Können getragen, von Generation zu Generation weitervermittelt und stetig neu geschaffen und verändert werden“, erklärt die deutsche UNESCO-Kommission. Unsere heimische Friedhofskultur umfasst zwei große Themenfelder, das Trauern, erinnern und gedenken, sowie das Gestalten, Pflegen und Bewahren. Das vielschichtige, faszinierende Erbe zeigt den Friedhof als zentralen Handlungsrahmen der Bestattungskultur, welcher Raum für lebendige Ausdrucksformen gibt. Unsere Friedhöfe sind so ein Stück nationaler Identität, denn sie unterscheiden sich von den Friedhofskulturen anderer Länder.

Um die Verabschiedung eines Verstorbenen, das Erinnern, Pflegen und Gedenken zu ermöglichen, ist das Wissen und die Fertigkeiten in den Berufsbereichen Bestattung, Landschaftspflege, Gärtnerei und Steinmetzhandwerk sehr wichtig.

Zur Bestattungskultur bzw. zum Abschiednehmen gehören je nach Region zudem unterschiedlich geprägte Trauerrituale, wie das Verfassen von Trauerbriefen und Trauerreden, das Schmücken von Särgen, das Singen bei Trauerfeiern, Rituale am offenen Grab, der Leichenschmaus sowie das Gestalten von Traueranzeigen und Danksagungen.

All die aufgezählten Bereiche gehören in Deutschland und so auch im Rödertal nach wie vor zur Bestattungs- und Friedhofskultur. Um dieses Denkmal bzw. diese Tradition zu bewahren sollten wir unseren Kulturraum Friedhof weiterhin schützen.

Bestattungskultur

Sterben ist ein natürlicher Vorgang. Wir können ihn medizinisch hinauszögern oder schmerzarm gestalten. Ansonsten ist er unserem Willen entzogen. Ist der Tod dann aber eingetreten, hat die Natur ihren Teil getan. Was dann kommt – die Bestattung - , ist eine Frage der Kultur.

Zu allen Zeiten und in allen Gesellschaften haben Menschen dazu Traditionen entwickelt. Ihre Wurzeln liegen oft Jahrhunderte zurück. Sie sind eingebettet in die religiösen Vorstellungen der Menschen.

Die Begegnung mit anderen Traditionen durch Tourismus, eine erhöhte Mobilität sowie Veränderungen der familiären Strukturen haben natürlich auch Auswirkungen darauf, wie wir unsereVerstorbenen bestatten, wie wir um sie trauern, wie wir ihre Gräber gestalten.

Wir als kirchlicher Friedhofsträger stehen vor der Herausforderung, auf diese Veränderungen zu reagieren und gleichzeitig wertvolle Elemente unserer Bestattungskultur zu bewahren. Dazu gehört:

  • Die Verstorbenen gehören nicht den Hinterbliebenen. Wohl sind diese für Bestattung und Grabpflege verantwortlich, aber sie haben keine Verfügungsgewalt. Dazu gehört, dass wir unsere Verstorbenen hergeben, bestatten müssen.
  • Bestattungen erfolgen auf einem Friedhof. Hier wird die Totenruhe wirksam geschützt; hier besteht sowohl Raum zu einer individuellen Gestaltung der Grabstätte wie auch zu öffentlicher Anteilnahme.
  • Die Beisetzung erfolgt namentlich und nicht anonym. Nach der Bibel ist jeder Mensch ein Ebenbild Gottes, behält seine Personalität und seine Würde auch über den Tod hinaus; dies soll auf unserem Friedhof deutlich werden.

In diesem Sinne soll unser Friedhof weiterhin letzte Ruhestätte für unsere Verstorbene und Ort der Trauer und des Gedenkens für die Hinterbliebenen sein. Dies wird er um so leichter sein können, je weniger wir dieses Thema aus unseren Überlegungen und Gesprächen ausklammern.

Friedhöfe sind natürlich auch Orte des Gedenkens. Auch wenn die Verstorbenen nicht mehr bei uns sind, haben wir Orte, die wir aufsuchen können, um ihrer zu gedenken, Orte zu trauern. Dies ist dabei kein alleiniges Privileg der unmittelbaren Angehörigen. Ein Mensch war ja nicht nur Teil seiner Familie, sondern er lebte in einem Umfeld. Auch wenn er verstorben ist, soll seine Grabstätte nun der Allgemeinheit zugänglich sein.

Der Trend zu anonymen Bestattungen ist auf der einen Seite verständlich: Menschen, die für den Fall ihres Ablebens Vorsorge treffen, wollen ihren Nachfahren nicht zur Last fallen, fürchten vielleicht auch, dass ihre Grabstätte nicht die nötige Pflege erhalten würde. Oder es sind einfach keine Angehörigen da, die sich über 20 Jahre lang um ein Grab kümmern würden.

Unser Friedhof als kirchlicher Friedhof kennt keine anonymen Gräberfelder. Jeder Mensch als unverwechselbares Geschöpf Gottes soll über seinen Tod hinaus mit Namen erkennbar bleiben.

Nicht immer findet die Vorschrift Verständnis, wonach eine Beisetzung auf einem Friedhof zu erfolgen habe. Warum kann die Urne nicht zu Hause stehen bleiben?
Wir sind der Meinung, dass die Verstorbenen nicht Verfügungsmasse der Hinterbliebenen sind, sie gehören ihnen nicht. Die Beisetzung auf einem Friedhof garantiert zudem den würdevollen Umgang mit den Verstorbenen: in der häuslichen Schrankwand steht irgendwann trotzdem das Problem: wohin mit der Urne?
Tod ist mit Abschied und Trennung verbunden. Wir tun uns schwer damit, eine Beisetzung gibt dieser Trennung eine Gestalt. Der Wunsch, den Verstorbenen – oder wenigstens einen Teil von ihm – weiter bei sich tragen zu können, rührt oft aus einer Unfähigkeit, eine solche Trennung wirklich zu vollziehen. Letztlich aber ist sie unvermeidlich.

Bestattungen und der Umgang mit Verstorbenen allgemein sind ein untrennbarer Bestandteil unserer Kultur. Wir stehen mit unserem Friedhof in dieser Tradition. Zwar steht er als Bestattungsplatz allen Bürgern von Radeberg zur Verfügung; gleichzeitig ist er ein kirchlicher Friedhof, was sich in einigen Regelungen niederschlägt.
Auf einem Friedhof überschneiden sich viele Bereiche: gesetzliche Regelungen, kulturelle Traditionen, persönliche Vorlieben und und religiöse Vorstellungen geben unseren Friedhöfen ihr Erscheinungsbild.Ein Friedhof ist zuerst der Ort der Totenruhe. Ein Verstorbener ist nicht einfach Verfügungsmasse der Hinterbliebenen, sondern soll eine Ruhestätte finden, an der er verbleibt.

Der Umgang mit Verstorbenen ist ein wichtiger Bestandteil jeder Kultur. Sie müssen irgendwo hin – die Natur lässt diese Frage offen. Menschliche Gesellschaften haben diese Frage nicht einfach den Hinterbliebenen überlassen. Stattdessen gibt es hier eine Vielzahl an Traditionen, religiösen Vorstellungen und auch gesetzlichen Regelungen.

Deren erste ist: der Mensch bleibt auch nach seinem Tod eine Person, deren Würde geachtet werden muss. Das schließt nicht nur einen pietätvollen Umgang ein, sondern auch ein Recht auf ungestörte Totenruhe.

Deren zweite ist: der Verstorbene gehört nicht seinen Hinterbliebenen, auch wenn diese sich vorrangig um die Beisetzung und die Hinterlassenschaften kümmern. Er war Bestanteil des öffentlichen Lebens. Darum sollen auch Nachbarn, Freunde und Verwandte Gelegenheit haben, nicht nur an der Trauerfeier teilzunehmen, sondern auch seine Grabstätte aufzusuchen.